Einleitung
Im April 2023 hat das Arbeitsministerium einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der nun einer Ressortabstimmung unterzogen wird. Diese Initiative erfolgt als Reaktion auf Urteile des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts (BAG). Insbesondere das BAG-Urteil von September 2022 hat Arbeitgeber dazu verpflichtet, die Arbeitszeiten vollständig zu erfassen. Der vorliegende Entwurf legt nun politische Regelungen für die Umsetzung und Ausnahmen fest.
Am 13. September 2022 gab das Bundesarbeitsgericht eine Pressemitteilung heraus, in der klargestellt wurde, dass Arbeitgeber gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG dazu verpflichtet sind, ein System einzuführen, das die von ihren Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst. Dieses Urteil hat zur Folge, dass seit Mitte September 2022 in Deutschland eine Arbeitszeiterfassungspflicht besteht. Unter Arbeitszeit versteht man den Zeitraum, in dem Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen ihre Arbeit erbringen und ihre Leistungsfähigkeit dem Arbeitgeber zur Verfügung stellen.
Pflicht zur Zeiterfassung kam nicht überraschend!
Es war zu erwarten, dass das Urteil so ausfallen würde. Schon im Mai 2019 hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) eine Richtlinie erlassen, die alle EU-Mitgliedsstaaten dazu verpflichtet, Vorschriften zur Arbeitszeitdokumentation zu erlassen. Der EuGH entschied, dass europäische Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber in Zukunft ein objektives, zuverlässiges und leicht zugängliches System zur Arbeitszeiterfassung einführen müssen, um die tägliche Arbeitszeit zu dokumentieren.
Es blieb ein gewisser Spielraum bei der Gestaltung. Das deutsche Bundesministerium hatte bereits seit 2019 die Möglichkeit, verbindliche Regelungen zu formulieren. Das Bundesarbeitsgericht ist dem Gesetzgeber jedoch zuvorgekommen. Bis dato mussten gemäß dem deutschen Arbeitszeitgesetz lediglich Überstunden und Sonntagsarbeit dokumentiert werden, nicht jedoch die gesamte Arbeitszeit. Die knappe Pressemitteilung des BAG hat zu Missverständnissen geführt, da klare Angaben und Handlungsempfehlungen fehlten.
Unbeantwortete Fragen waren beispielsweise:
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- Welche gesetzlichen Vorschriften sind bei der Zeiterfassung zu berücksichtigen?
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- Wie und wann müssen die Arbeitszeiten erfasst werden?
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- Welche Unternehmen müssen in Zukunft die Arbeitszeit aufzeichnen?
Wer muss erfassen?
Für alle Beschäftigten gilt die Pflicht zur Zeiterfassung, welche eigenständig geführt werden muss. Hierbei ist der Arbeitgeber verpflichtet, ein elektronisches System bereitzustellen, welches eine sichere Speicherung der Daten für zwei Jahre gewährleistet und gleichzeitig muss er die Einhaltung des Arbeitsschutzgesetzes sicherstellen. Besonders wichtig ist, dass der Arbeitgeber seine Mitarbeiter über diese Pflicht und die dafür bereitgestellten Mittel informiert. Diese Verpflichtung gilt für Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigte sowie Minijobber und Führungskräfte ohne leitende Funktionen. Ausgenommen von der Pflicht sind lediglich leitende Angestellte.
Nicht jede Führungskraft ist automatisch ein leitender Angestellter!
Wer ist nicht verpflichtet?
Es besteht keine Verpflichtung für Führungskräfte, welche eine Leitungsfunktion innehaben. Es sind auch Ausnahmen vorgesehen für Arbeitnehmer, deren Arbeitszeit aufgrund besonderer Merkmale ihrer Tätigkeit nicht gemessen oder im Voraus festgelegt werden kann oder von ihnen selbst bestimmt werden kann, wie zum Beispiel von Forschern. Des Weiteren können Kleinbetriebe mit bis zu zehn Mitarbeitern auf die elektronische Aufzeichnung verzichten.
Grundlegende Gesetzesänderungen
Ab dem Jahr 2023 sind Änderungen des Arbeitszeitgesetzes geplant. Demnach müssen Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmern am jeweiligen Arbeitstag elektronisch aufgezeichnet und mindestens zwei Jahre aufbewahrt werden. Sowohl die Arbeitnehmer selbst als auch ein Dritter können die Arbeitszeit dokumentieren. Letztendlich obliegt jedoch die ordnungsgemäße Aufzeichnung der Arbeitszeit der Verantwortung des Arbeitgebers. Die Beschäftigten haben das Recht auf Information über die aufgezeichneten Stunden sowie auf Aushändigung von Kopien der Angaben. Die Vertrauensarbeitszeit bleibt weiterhin möglich, jedoch muss der Arbeitgeber sicherstellen, dass die gesetzliche Höchstdauer und Ruhezeiten eingehalten werden und die Arbeitszeiten von den Beschäftigten selbst dokumentiert werden.
Was muss erfasst werden?
Es gibt zahlreiche unbeantwortete Fragen, die Raum für Vermutungen lassen. Die gesetzlichen Regelungen des Gesetzgebers sind noch unklar, aber gemäß der Entscheidung des EuGH aus dem Jahr 2019 muss die Erfassung der Arbeitszeit objektiv, verlässlich und zugänglich sein. Es ist jedoch bereits klar, dass elektronisch folgende Punkte erfasst werden müssen: der Beginn und das Ende der Arbeitszeit (einschließlich der Dauer), Überstunden und Pausenzeiten.
Welche Spielräume gibt es?
Gemäß dem Entwurf können Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften spezielle Klauseln oder Ausnahmen vereinbaren, welche es dem Management und Betriebsrat eines Unternehmens ermöglichen, Regelungen auf Unternehmensebene zu treffen. In Bezug auf die Zeiterfassung wird eine nicht-elektronische Form empfohlen, wobei die Dokumentation spätestens eine Woche nach der geleisteten Arbeit erfolgen sollte und ein gänzlicher Verzicht auf die Erfassung möglich ist. Ausnahmen sind für Arbeitnehmer vorgesehen, bei denen die Arbeitszeit aufgrund ihrer Tätigkeit nicht gemessen oder im Voraus festgelegt werden kann oder von den Arbeitnehmern selbst festgelegt wird, wie es bei Forschern der Fall ist. Darüber hinaus können Kleinbetriebe mit bis zu zehn Mitarbeitern auf die elektronische Aufzeichnung verzichten.
Missverständnisse in Bezug auf das Urteil
Die Aussage, dass keine Überstunden mehr geleistet werden dürfen, ist nicht korrekt. Das neue Arbeitsgesetz schafft eine neutrale Basis, auf der Arbeitgeber und Arbeitnehmer fair behandelt werden können. Das bedeutet, dass Überstunden ordnungsgemäß dokumentiert und vergütet werden müssen. Es gibt zuverlässige Zeiterfassungssysteme, die nahtlos mit den gängigen Lohnabrechnungsprogrammen zusammenarbeiten. Dadurch können Überstunden und Zuschläge einfach berechnet werden.
Die Behauptung, dass die Bürokratisierung überhand nimmt, ist falsch. Einige Länder haben diese Pflicht bereits umgesetzt, während andere noch hinterherhinken. Zum Beispiel werden in Österreich und der Schweiz bereits erfolgreich Arbeitszeiten unkompliziert erfasst.
Die Annahme, dass dies ein Rückschritt sei, ist unbegründet. Mit den Veränderungen rund um Arbeitszeit und Arbeitsort in den letzten Jahren ist eine Anpassung der Arbeitszeitaufzeichnung ein Schritt in die richtige Richtung. Prozesse laufen dynamischer ab, und auch die Arbeitszeiterfassung sollte dieser Dynamik angepasst werden. Projektarbeiten sind ein gutes Beispiel dafür, dass einzelne Arbeitsschritte von verschiedenen Arbeitnehmern dokumentiert werden müssen, um einen reibungslosen Arbeitsablauf zu gewährleisten.
Fazit
Sobald der Entwurf zur elektronischen Erfassungspflicht vorliegt, ist es absehbar, dass das Gesetz in Kraft treten wird. Als Unternehmerin oder Unternehmer sollten Sie jedoch unabhägig davon geeignete Maßnahmen ergreifen und ein nutzerfreundliches, unkompliziertes und elektronisches System zur Arbeitszeiterfassung in Ihrem Unternehmen einführen.
Prüfen Sie evtl. vorhandene Systeme, ob dise noch die gesetzlichen Vorgaben erfüllen, auch im Hinblick auf die DSGVO. Welche individuellen Anforderungen haben Sie an ein solches System? Wie kann es möglichst in vorhandene Systeme und Abläufe integriert werden?
Wie können Fehler reduziert oder vermieden werden? Wie können Sie den Verwaltungsaufwand so klein wie möglich halten?
In unserem Ablaufdiagramm haben wir Ihnen mögliche Lösungen zusammengefasst, die sowohl individuelle Geschäftsprozesse als auch Abläufe mit aktuell sehr hohem Verwaltungsaufwand vorwiegend automatisiert in Ihr System einbinden lassen.